Nicht Pandemien, Krisen und Krankheiten töten, sondern das System

-Xweza Serhad

Unsere Erde kollabiert. Der Treibhauseffekt, Klimakatastrophen oder Pandemien sind uns durch Schule, Nachrichten und eigene Erfahrungen bereits bekannt. Bei genauerer Betrachtung ist unsere Gesellschaft in einer ähnlichen Lage. Krieg steht immer mehr an der Tagesordnung. So beispielsweise in Kurdistan, wo Krieg und Zerstörung längst den Alltag der Bevölkerung bestimmt.

Konsumkritik: Mit bewusstem Konsum aus der Krise?

Eifersucht, Individualismus, Egoismus und Entfremdung breiten sich immer mehr in der Gesellschaft aus. Die vermeintliche Lösung dafür sei eine grüne, nachhaltige Lebensweise, zumindest wenn man PolitikerInnen, unzähligen BuchautorInnen und Lebensratgebern Glauben schenken mag. Von “Lebe Grün” und “Achte auf deinen Stromverbrauch!” bis hin zu “Vegan Lifestyle” werden uns permanent Verhaltensweisen empfohlen, wir werden gar damit beauftragt.

Das Problem ist, dass nur wenige Prozent der Menschheit mehr besitzen als der Rest der Weltbevölkerung – meist sind sie männlich und europäisch. Nicht durch hart erarbeitete und verdiente Arbeit, sondern durch Ausbeutung. Denn welcher Mensch verdient mehrere Millionen, gar Milliarden, auf Kosten unserer Erde, während andere durch Hungersnot sterben? Ausgenommen dieser Riege an Reichen ist es nun der gesamte Rest der Menschheit, der auf den eigenen Verbrauch achten müsse. Beispielsweise durch den messbaren ökologischen Fußabdruck, den  alle Ottonormalverbraucher auf fast jeder Webseite einer Öko-Firma ausrechnen können.

Diese Werte mögen vielleicht interessant sein, aber für das Klima und die Erde bringt das im Gesamten gar nichts. Das gilt auch für die gesellschaftlichen Probleme. Um die Leistungsgesellschaft zu kritisieren, wird nicht der Kapitalismus angeprangert und an der Wurzel gepackt, sondern das Konzept self care – also „Selbstpflege” – macht neuerdings die Runde. Dabei geht es darum, dass sich das Individuum immer stärker um sich selbst dreht, bis er irgendwann auch kollabiert. Auf den ersten Blick scheint an Selbstpflege nichts Verwerfliches, doch um die Verhältnisse nachhaltig zu ändern, bringt kein Wellnessurlaub, nur um am Montagmorgen wieder ins Hamsterrad zu springen. Es braucht wahre Veränderung, die wir im Kollektiv erreichen. Durch Bildung, Organisierung und internationale Solidarität. Wir sehen, dass all die Probleme dem Kapitalismus verschuldet sind. Die vermeintlichen Lösungsvorschläge, die höchstens eine Symptombekämpfung sind, kommen entweder vom kapitalistischen System selbst oder aber sind unter ihrem starken Einfluss heraus entstanden.

Die Frage ist, wie können wir uns in dem ganzen Wirbel und Nebel einen klaren Durchblick verschaffen?

Das Glück, Rêber APOs Analysen zu haben

Rêber APO sagt, wir sollen die Dinge dort suchen, wo wir sie verloren haben. Wenn Du bereits mindestens eine Xwebûn gelesen hast, dann weißt Du, worauf es hinausgeht: Eine genauere Betrachtung in die natürliche Gesellschaft. Hier sehen wir, dass die Menschen einst mit ihrer Umwelt verbunden waren und alles als lebendig betrachtet wurde. Eine Trennung zwischen dem Ich und dem Anderen war nicht vorgesehen, weil es eine funktionierende Gesellschaft gab, jenseits von Machtstrukturen. Sicher hatte sie ihre Schattenseiten, doch     es war eine Gesellschaft, bei der sich das Individuum erst gar nicht auf- und abwerten konnte, da Hierarchien, wie wir sie heute kennen, nicht vorhanden waren. Die  Mutter bzw. Frau hatte eine besondere Rolle und war eine natürliche Autorität. Sie lernte von der Natur und ließ ihr Umfeld davon profitieren. Von der Umwelt wurde nur so viel genommen, wie benötigt wurde. Niemand definierte sich über Grenzen, denn die Natur hat keine. Hierbei geht es nicht darum, eine heile Welt vorzuspielen, sondern zu erkennen, dass eine andere Welt möglich ist.

Die erste Trennung

Als die ersten Schritte des Patriarchats entstanden sind, wurde ein Subjekt-Objekt Verhältnis   geschaffen. Die erste Trennung in „Den, der die Macht hat“ und „Ihr, die willkürlich behandelt werden kann. Die erste Trennung in Subjekt und Objekt öffnet letztlich all dem Grauen den Weg, der später hinzu kam und die ganzen Blutbäder der Geschichte anrichten würde. Mit dem Bruch in der Gesellschaft konnte nun der Gedanke wachsen, dass mit der Frau auch die Natur ausgebeutet werden kann.

Die heilige Einheit aller Organismen glich einer zerstückelten Natur, die wie    eine Bestie gebändigt werden muss. In einer ähnlichen Situation befand sich auch die Frau. Stück für Stück wurde diese Verbindung zur Natur als etwas Hexenhaftes begriffen. Die Worte Bacons, Vorreiter der positivistischen Wissenschaft und Hexenverfolgung in England, sagt bezüglich Frauen und der Natur: „Der Mann sollte keine Hemmungen oder Skrupel haben ihre letzten Löcher und Ecken zu betreten und in sie einzudringen!“

Die junge Frau lässt die Stimme der vergrabenen Göttinnen wieder erheben!

Wir sehen, dass das Übel seine Anfänge im Patriarchat hat. Die Frau ist noch stärker an das Leben gebunden, als der Mann es ist. Das liegt daran, dass sie in Machtstrukturen nicht so stark eingebunden war, wie es bei Männern der Fall war. Die Natur der Frau ist insgesamt weniger von Macht besessen und hat deswegen auch weniger ein Subjekt-Objekt Verhältnis zur Natur und Gesellschaft. Die Natur der Frau akzeptiert keinen  Krieg und keinen Klassismus. Sie ist von Natur aus eine sozialistische Persönlichkeit und hat eine Veranlagung zum sozialistischen Leben. Das ist wichtig zu erkennen, da dies einer der Gründe ist, weshalb die Frau die Vorreiterin der Kurdistan Revolution ist. Die Verbindung zur Natur konnte unter anderem durch das Identitätsbewusstsein junger Frauen bewahrt werden. In der Ideologie der Frauenbefreiung stellt Rêber APO Welatparêzi als erstes Prinzip auf. Heimat verteidigen ist jedoch kein blinder Nationalismus, sondern die Verteidigung aller Farben unserer Gesellschaft und natürlich spielt auch der ökologische Aspekt darin eine große Rolle, sprich der Schutz der natürlichen Vielfalt. Wir sehen, dass wir als junge Frauen die Trägerinnen der alten natürlichen Kultur sind, daher müssen insbesondere wir unsere Identität verteidigen. Metaphorisch kann sich das wie folgt vorgestellt werden: Sobald Krankheitsviren in unseren Körper eindringen, kämpfen Antikörper dagegen an. Diese schützen jedoch nicht nur sich selbst, sondern den ganzen Körper. Mit unserer Selbstverteidigung wird sowohl Kurdistan als auch Mutter Natur verteidigt. Diese Verteidigung ist existenziell, denn mit den Angriffen der herrschaftlichen Staaten wird Kurdistan zerstört und ausgebeutet, ähnlich wie es das System mit jungen Frauen macht. Reberti sagt diesbezüglich: “Die Frau ist die erste Kolonie!” Doch die Verteidigung wird erst durch Kollektivität wirksam, also die ursprüngliche kulturelle Mentalität     der Menschheit. Anhand des Erdbebens in Kurdistan sehen wir, welche grauenhaften Folgen es hat, wenn die demokratische Selbstverwaltung nicht umgesetzt wird und stattdessen ein faschistisches Regime mit mafiösen Firmen unsichere Häuser baut. Das unterstreicht nochmal, dass die Auswirkungen der Umwelt direkt etwas mit unserem gesellschaftlich-politischen System zu tun haben. Und diese Gesellschaft kann – wie bereits dargestellt – federführend von jungen Frauen aufgebaut werden. In all diesen apokalyptischen Szenarien gibt es Hoffnung. Und das sind wir, als junge Frauen.

Denn diese Welt ist unsere Zukunft. Und hierbei müssen wir uns ganz aktiv beteiligen und dafür einstehen, denn wir erkennen auch, dass es ein ganzes herrschaftliches System aus den Angeln zu heben gilt. Die Verteidigung unserer Heimat beginnt da, wo wir als kurdische Frauen unsere Kultur kennen und uns Wissen aneignen, unser Land lieben und es von allem Zerstörerischen und Gewaltvollen, das versucht sich dort niederzulassen, befreien. Wahrer Umweltschutz bedarf zweifellos einer Revolution in der Führung der von Frauen. Wir haben keine zweite Welt und keine andere Wahl. Wir nehmen es selbst in die Hand. Und gewiss, wir  werden es mit Liebe und Hingabe tun!